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Digitales Elternsein

Jan und Hannah im Juli 2013

Zu behaupten, dass die Vielzahl der Fotos und Videos, die entstehen, wenn ein kleiner Mensch in die Mitte getreten ist, einem Kopfzerbrechen bereitet, ist eher übertrieben. Die gemeinsame Zeit mit Mutter und Kind, sei es in der Elternzeit (oder eben nicht), ist etwas Wunderbares, und neben den gelegentlichen Sorgen um Wohlergehen und Gesundheit erscheinen Dinge, die sich digital abspielen, eher trivial und unwichtig.

Dennoch: Ein Moment hier, ein Augenblick da, schon ist das Smartphone (oder, wenn Zeit ist, die DSLR) gezückt und ein Ereignis verbildlicht. Vielleicht auch als Video. Damit kommen viele Fragen: Wohin damit, ohne dass etwas verloren geht? Wie an andere teilen? An wen überhaupt? Soll man, darf man?

Mein Vater hatte es anno 1977, als ich dann da war, einfacher. Er hat viele kleine Sequenzen mit seiner Super-8 gefilmt, diese nacheinander zusammengeschnitten, so dass bis in die Mitte der 80er Jahre immerhin sechs Filmrollen zusammen kamen. Diese kann man einfach im Schrank verstauen, nur mag man immer, wenn Besuch da ist und die neuesten Werke gezeigt werden wollen, Projektor und Leinwand aufbauen? Eben. Mit Fotoalben, die man aus dem Schrank holen konnte, war es immerhin einfacher.

Früher gab es auch keine Alternative dazu, eine Geburtenanzeige in der lokalen Gazette zu schalten, „das macht man eben so“. Anja und ich haben bei Geburt unserer Hannah Marie bewusst darauf verzichtet und lieber ein Bild via Facebook geteilt – nicht öffentlich, wie es bei einer Zeitung der Fall wäre.

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Aber dann? Wenn man sich in diverse Blogartikel einliest, gerät man schnell in die Debatte, was man alles nicht posten darf / soll. Bloß keine peinlichen Bilder! Bloß nicht zuviel! Und überhaupt! Einen sehr schönen Kommentar zu dieser Debatte hat Sebastian bei mittelstern.de abgegeben. Es geht um das Wie und das Motiv, weniger um die digitale Entmündigung des Kindes, wo wir doch auch Entscheidungen über Kindergarten, Taufe, Schule, Kleidung etc. treffen – und da, wie im digitalen Leben, Augenmaß beweisen müssen. Ich persönlich hätte sehr viele sehr schöne Fotos meiner kleinen Hannah, die es wert wären, gezeigt zu werden — dennoch mache ich das sehr punktuell. Nicht, weil ich die nicht zeigen will, sondern, weil es manchmal auch gut ist, Dinge sein zu lassen. Und vermutlich würde sich eine Masse im Netzwerk beim x-ten Post eh langweilen, daher nicht interagieren, was ja die jahrzehntelang praktizierte Methode des Fotovorzeigens ad absurdum führen würde. Das trifft auch auf Videos zu. Und nebenbei bemerkt: Wer Babyfotos postet, nur um Likes zu bekommen (und ggf. seinen Klout-Score zu boosten), hat den Knall nicht gehört. Stolz und Freude, vielleicht auch ein kurzer digitaler Plausch unter Freunden sind die einzigen Motive, die zählen.

Dennoch bleibt die Herausforderung, die Familie und enge Freunde teilhaben zu lassen, und zwar, wann sie wollen, ohne Projektoraufbau wie mein Vater in den 70er Jahren. Und gleichzeitig Herr seiner Daten zu bleiben, ohne dass ein Festplattencrash eine emotionale Katastrophe auslöst. NERO hat diese Frage auch schon aufgeworfen und neben 7moments, 23snaps oder Path schon Alternativen genannt. Denkbar sind natürlich auch Facebook-Gruppen für’s Bildersharing, wenn denn Familie und Freunde da unterwegs sind. Nicht zu vergessen sind neben den Datenschutzbestimmungen der Services auch der Punkt der Datenautonomität: Was ist, wenn ein Dienst seine AGB ändert oder verschwindet? Ist dann die Arbeit umsonst?

So helfe ich mir aktuell:

Fotos: Ich lade alles bei Flickr hoch, lasse diese aber nur für mich sichtbar – quasi ein Online-Backup. Natürlich kann man Sets und Bilder per Mail an bestimmte Personen teilen, nur werden Sets mit der Zeit sehr groß und unübersichtlich. Aktuell tendiere ich dazu, auf meinem Webserver einen per htaccess geschützten Bereich einzurichten. Ob ich das dann händisch mit Twitter Bootstrap umsetze oder ein CMS benutze, weiß ich noch nicht. Ziel soll sein, dass die Familie bequem Bilder gucken kann, wann sie möchte.

Videos: Lade ich „versteckt“ bei YouTube hoch und fasse diese in eine ebenfalls nicht öffentliche Playlist zusammen. Klar, es ist Google, einmal im Netz usw. … aber Videos zu verlieren, wäre für mich ein größeres Drama, und mit versteckten Links kann ich immerhin das Publikum sehr genau bestimmen.

Bei Update geht dann eine Nachricht an die entsprechenden Personen raus. Die Alternative, Bilder / Videos per E-Mail zu teilen, stellt sich angesichts der teilweise immer noch knappen Kapazitäten einiger E-Mail-Anbieter nicht, und man soll seinen Sonntag nicht mit dem runterladen übergroßer Dateianhänge verbringen 😉

Nichts davon ersetzt aber, bei Gelegenheit persönlich Fotos zu zeigen, sei es am Bildschirm oder in einem Fotoalbum.

Beim Posting sollten gelegentliche Gefühlsausbrüche mal erlaubt sein 😉 Ob es aber sinnvoll ist, den Windelfüllstand live zu tickern, muss jeder für sich selber wissen, ich denke, es wäre zu viel. Unter’m Strich sollte der gesunde Menschenverstand auch ausreichen, und exzessives Posting könnte immerhin auch dazu führen, dass man die realen Ereignisse, die realen Fortschritte nicht richtig beachtet, vielleicht sogar verpasst oder diese nicht für sich genießen kann. Alles wäre fatal.

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Die Filme meines Vaters aus den 70er und 80er Jahren habe ich übrigens mit einer DSLR abgefilmt. Die Mitschnitte gebe ich per DVD weiter, damit meine Eltern auch nach so langer Zeit ohne großen Aufbau die alten Streifen genießen können. Meiner kleinen Hannah und meiner Frau Anja geht es prächtig, trotz der momentanen Hitze. Anderen Vätern brauche ich vom Perspektivwechsel nicht groß zu erzählen 😉 Ich bin sehr glücklich, meine kleine Familie zu haben, und ich freue mich auf die kommenden Jahre 🙂

Von Jan Piatkowski

Vater, Digitaler, Denker, liebt The Sisters Of Mercy, liebt Borussia Mönchengladbach, filmt, fotografiert. Strategic Designer im Rheinland. Heimbrauer NOR APA Craft Beer, Lokalpolitik für die CDU Neuss.

3 Antworten auf „Digitales Elternsein“

Hallo, vielen Dank für den Beitrag. Fotos bei Facebook, Instagram oder wo auch immer halte mich mich zurück, auch wenn ich dort die Sichtbarkeit einstellen kann. Mir ist einfach der „Kreis der Betrachter zu groß“.

„Aktuell tendiere ich dazu, auf meinem Webserver einen per htaccess geschützten Bereich einzurichten. Ob ich das dann händisch mit Twitter Bootstrap umsetze oder ein CMS benutze, weiß ich noch nicht. Ziel soll sein, dass die Familie bequem Bilder gucken kann, wann sie möchte.“

Ich habe für meinen Sohn eine Domain registriert und dort ein WordPress eingerichtet und per .htaccess geschützt, da ich wie du auch viele tolle Fotos von meinem Sohn habe, die ich gerne innerhalb der Familie zeigen möchte. Per WordPress-App geht das auch alles sehr schnell von der Hand. Es gibt auch ein Plugin, um daraus später eine PDF zu generieren, wie ein kleines Tagebuch. Videos funktionieren ebenso gut, allerdings halte ich mich da zurück. Die sind dann eher für später und wie du auch schreibst: „Nichts davon ersetzt aber, bei Gelegenheit persönlich Fotos zu zeigen, sei es am Bildschirm oder in einem Fotoalbum.“

Lieben Dank für Deine Antwort, Michael 🙂 Den WordPress-Weg gehe ich da auch, über eine eigene Subdomain – zwar nicht per .htaccess geschützt, aber so, dass die Beiträge nur für eingeloggte Benutzer sichtbar sind. Aber bis ich erst mal ein geeignetes Template gefunden habe…

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