11.12.2024
Ach, Chris. F**k.
Lange hatten wir uns nicht gesehen. Meine Frau traf dich letztens in der City. Hast noch Pokémon mit meiner Tochter getauscht. Das war im Juni, im letzten Sommer.
Nach dem Studium warst du mein erster Chef. Nachdem wir uns vor Jahren mal im Kleingarten deiner Eltern getroffen hatten, deiner Schwester sei Dank. Zwei Stunden dauerte mein, naja, Vorstellungsgespräch war es nicht. Ein Austausch über die Liebe zum Fußball, über Pioniergeist, über trafema.de. Meine Mama, die mich gebracht hatte, musste lange warten. Es war ein wilder Ritt, mit Agenturen, mit der WAZ, mit Investoren, und dann noch Subprime. Wie wir Monate später auf der Clarissenstraße in Heerdt, das Büro von einer Kochplatte beheizt, irgendwie das Kind retten wollten. Es gelang nicht. Aber selbst das hast du gewandelt. Bei F***-Up-Nights hast du Wissbegierigen erzählt, was man tun und nicht tun sollte. You had the scars to prove it.
Bei trafema und danach hast du mir immer gezeigt, was alles gehen kann. Plötzlich habe ich mit deinem Zuspruch Funktionen für die Plattform konzipiert und TV-Sendungen moderiert und produziert. Was es zu entdecken und zu denken gibt. Auf der PICNIC 2012, auf diversen re:publica, oder auf unseren Reisen. Tilburg. Berlin. München. Amsterdam.
Gerade Amsterdam. Die alte Spuistraat. Das Botel. Irgendwelche Irish Pubs. Street Art. Den Begijnhof hast Du mir gezeigt, exemplarisch als eine der vielen Ecken, die es an Amsterdam zu entdecken gibt. Oder an der NDSM-Werft mit der Sonne im Gesicht, einem guten Craft Beer in der Hand, bevor es an der Rainbow Warrior vorbei mit der Fähre zum Festland und zum Melkweg ging. Das Leben. Oder irgendwelche AirBnB in Berlin, als ich mich beim Telefonat kaputtgelacht habe, weil du vorher schon da warst und den Gastgeber etwas … unpässlich vorgefunden hast.
Gerade Berlin. Die Brückentour über die Spree war Pflicht. Den Reichstag haben wir 2017 besucht. Berlin war immer wieder unser Ding, hoch oben im Hotel an der Friedrichstraße mit Blick auf Bahnhof und Tränenpalast. Der Großstadt von oben lauschen, bevor wir die nächste Burgerbutze besucht haben.
Oder, oder natürlich, auch im Job, in Düsseldorf, in Krefeld, am Factory Campus. Der Fortschritt, die Idee, der nächste Schritt war dein Herzensding. Ohne dass Du die vielen kulturellen Strömungen aus dem Auge verloren hast. Die lustigsten Gadgets und Headlines hast du in deinem Büro beherbergt — natürlich, weil es lustig war, aber es auch immer einem den Spiegel vorgehalten hat. Deinen „NO“-Button habe ich immer noch. Oder das Zielgruppen-Quartett. Bestimmt meine halbe Fachbibliothek habe ich nach Deinen Inspirationen bestückt, wenn wir uns mal beim Burger oder Grill unterhalten haben. Etwa im Hinterhof in Bilk bei Me & Company, als wir beide nach trafema wieder Kollegen waren. Wenn auch kurz. Der lustige Trip, den wir so 2010 rum mit Alma nach Köln zur „Ignite Cologne“ gemacht haben, fühlte sich so sehr nach #MACHEN, dynamisch, modern, emphatisch an. Oder die Niederrheinischen Pflegekongresse, die wir mit dem Team gerockt haben. Mit Ali, Sascha, und Akram. Und vielen vielen weiteren. Akram, Ertu, damals in der 11-Freunde-Bar in Essen. Heimatfussball drehen. Das war so cool, so geil, so Punk.
Natürlich war da die Musik. „Chris, die Sisters kommen wieder.“ Haben sie in Tilburg, Amsterdam und Köln gesehen. „Die waren spielgeil“, hieß es auf der Rückfahrt, als wir uns durch weitere Tracks auf der Autobahn gehört haben. Dabei war Dein Musikgeschmack breiter aufgestellt, als man vermuten mag — den „Muscle Ska“ habe ich durch dich kennengelernt, so nebenbei, als wir auf der Terrasse am Kölner Rheinufer 2017 beim bofrost-Hackathon mit Jean-Marc Konzepte geschraubt haben. Einer Deiner Lieblingstracks ist mir nach Deinem Tod wieder begegnet. „Hello Goodbye“ von Secret Discovery.
Und die Fotografie. Auch die hast du mir gezeigt. Du hast die Bilder auf der Hochzeit von Anja und mir gemacht. Diesen Moment hast du für uns festgehalten.
Festgehalten hast du jetzt nicht. Ganz im Stile der Nordsee bist du zum Fährmann aufs Boot gestiegen. Vorausgefahren. Auf die andere Seite. Es war deine letzte Fahrt. Das eigene Hausboot, irgendwo auf der Nordsee, wovon du geträumt hast – es wird nicht mehr im Diesseits sein. Immerhin — zur See kehrst Du zurück, um dort Deine letzte Ruhe zu haben. Deine Schwester hat dafür Sorge getragen, dass Du am 24.01.2025 den Weg in Neptuns Schoß gefunden hast.
Und während du von der anderen Seite auf uns blickst, erfährt deine Nichte immer wieder, was für ein toller Onkel du warst. Überhaupt: Du hast so viele Leute gefördert, gefordert, ermuntert, kritisiert, aufgepeppelt, berührt. Auch uns. Anja und ich, wir ritzen dir einen Gruß in den Sand von Cadzand nach oben, jetzt im Gedanken wie damals 2008, als du uns beiden die niederländische Nordsee ans Herz gelegt hast. Hi, Chris. Das stand im Sand. Das steht im Sand. Du fehlst. Pass auf uns auf.
Danke, Chris.
